DT536: Von Brainstorming zu Brainwriting

Die Evolution der Ideenfindung

Stellt euch vor, ihr könntet die kreative Energie eines Brainstormings einfangen und noch effektiver nutzen. Genau das macht Brainwriting möglich! In dieser Episode tauchen wir in die Ursprünge dieser Kreativitätsmethode ein und enthüllen, wie ihr sie meistern könnt, um eure Ideenfindung auf ein neues Level zu bringen. Seid bereit, euer kreatives Potenzial zu entfesseln!

Kurs-Tipps:

Brainwriting, das bessere Brainstorming

Die vermutlich bekannteste Kreativititästechnik ist Brainstorming, die in den 1950er Jahren von Alex Osborn entwickelt wurde. Beim Brainstorming werden Ideen üblicherweise durch alle Teilnehmenden herausgerufen und gegeinseitig aufgegriffen. Dies kann jedoch dazu führen, dass sich manche Menschen gehemmt fühlen.

Beim Brainwriting wird deswegen ganz bewusst auf das Aufschreiben der Ideen gesetzt. So ist es möglich gegenseitig auf Ideen aufzubauen und trotzdem einen kreativen Fluss zu erhalten.

Die Geschichte von Brainwriting

Eine der bekanntesten Brainwriting-Methoden ist die Methode 635, die vom Unternehmensberater Bernd Rohrbach entwickelt wurde.

Die in diesem Podcast beschriebene Variante „Brainwriting-Pool“ wurde maßgeblich durch Helmut Schlicksupp entwickelt, der am Battelle-Institut in Frankfurt auf dem Gebiet der Ideenfindung als wissenschaftlicher Mitarbeiter forschte. (Schlicksupp, Helmut: Kreative Ideenfindung in der Unternehmung, Reihe Mensch und Organisation, 1977)

So funktioniert Brainwriting-Pool

Vorbereitung

• Stelle ein Team zusammen, das aus möglichst vielfältige Qualifikationen und Persönlichkeitstypen besteht, damit aus vielen Perspektiven kreative Ideen eingebracht werden. Ideal ist eine Gruppengröße zwischen fünf und zwölf Personen.

• Genze die Aufgabenstellung sorgfältig ein und beschreibe diese prägnant und klar verständlich. Am besten ist es, wenn du einen gut verständlichen Satz als Ziel für das Brainstorming aufschreibst und sichtbar im Raum aufhängst.

• Bereite einen ruhigen Raum vor, in dem alle Teilnehmenden an einem Tisch sitzen oder stehen können.

• Denke unbedingt an genügend Schreibmaterial. Für diese Variante sind A4-Zettel am besten.

Erkläre das Ziel der Brainwriting-Sitzung

  • Gleich zu Beginn solltest du damit starten zu erklären, was das Ziel dieser Sitzung ist. Je nach Kontext und Problemstellung kann das natürlich variieren, aber es sollte klar und eindeutig sein. Mögliche Ziele sind beispielsweise die Entwicklung neuer Ideen für ein Produkt oder die Suche nach Lösungen für ein bestimmtes Problem.
  • Je nach Teamzusammenstellung, z.B. wenn sich die Teilnehmenden noch nicht kennen, ist ein Warming-up empfehlenswert.

Stelle die Methode Brainwriting-Pool vor und erkläre die Regeln

  • Erkläre die Methode im Detail: Es geht darum, die Ideen der Teilnehmer:innen schriftlich auf Papier festzuhalten, dann die Ideen untereinander auszutauschen und sie mit den Ideen der anderen Teilnehmenden zu ergänzen.
  • Weise unbedingt darauf hin, dass erst nach der Kreativphase die Ideen in Ruhe diskutiert und bewertet werden sollen. In der Kreativphase ist es wichtig, dass alle Teilnehmenden Spaß haben und auch verrückte Ideen teilen. Weder Leistungsdruck noch der Ehrgeiz, großartige und einzigartige Ideen zu formulieren sind zielführend, sondern blockieren nur die Kreativität.
  • Erläutere die Regeln, um sicherzustellen, dass alle Teilnehmenden die Methode verstehen und die Vorteile dieser Methode voll ausschöpfen können. Wichtige Regeln sind:
    • Aktive Teilnahme: Alle sind aufgefordert, aktiv am Brainwriting teilzunehmen, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.
    • Schriftliche Ideenbeiträge: Alle Ideen sollten schweigend aufgeschrieben werden, damit sie von anderen gelesen und ergänzt werden können. Es sollen bewusst keine mündlichen Diskussionen geführt werden, da dies den Gruppenprozess stört.
    • Keine Kritik: Es sollte keine Kritik an den Ideen der anderen Teilnehmenden geäußert werden. Stattdessen sollten alle Ideen respektiert und als potenzielle Lösungen betrachtet werden.

Die Durchführung

Der genaue Ablauf dieses Schritts kann unterschiedlich gestaltet werden, im Folgenden wird die Variante „Brainwriting-Pool“ nach Helmut Schlicksupp, dem Erfinder der Methode, beschrieben.

• Jede:r Teilnehmende erhält ein Blatt Papier, auf dem ca. acht Einträge Platz haben.

• In der Mitte des Tisches liegen – abhängig von der Zahl der Teilnehmenden – ein oder mehrere Blätter, auf denen bereits eine oder mehrere Ideen stehen. Diese bilden den „Pool“.

• Mit dem Startsignal schreiben die Teilnehmenden ihre Ideen auf ihr Blatt Papier. Es steht jeder Person offen, wieviele Ideen sie auf das Blatt schreiben will.

• Wenn bei einer Person der Ideenfluss nachlässt, tauscht sie das eigene Blatt mit einem Blatt aus dem Pool. Die Einträge auf diesem neuen Blatt können nun als Anregung genutzt und ergänzt werden. Das erste Anregungsblatt ist jenes, das der:die Moderator:in anfangs erstellt hat, nach dem ersten Tauschvorgang sind es dann die Blätter anderer Teilnehmenden.

• Jede:r Teilnehmende hat immer nur genau ein Blatt vor sich liegen.

• Bei Bedarf können im Pool zusätzlich leere Blätter bereitgestellt werden.

Dieser Schritt dauert mindestens 15 Minuten. Weise bei Bedarf nach ungefährt fünf Minuten auch nochmals explizit auf die Möglichkeit hin, das Blatt mit dem Pool zu tauschen. Aber Achtung: Dränge die Teilnehmenden nicht zum Abschluss. Achte lieber darauf, wie weit die Teilnehmer:innen sind und ob sie eventuell noch mehr Zeit benötigen.

Die Auswertung der Ideen

Zunächst lesen alle Teilnehmenden in Ruhe die Ideen der anderen. Je nachdem, wieviele Ideen enstanden sind, kann das einige Minuten dauern.

Anschließend ist es wichtig, die Ideen auszuwerten. Alle Teilnehmenden sollten die Möglichkeit haben, ihre Meinung zu den Ideen zu äußern und zu diskutieren, um die besten Lösungen auszuwählen. Die einfachste Möglichkeit zur Priorisierung der Ideen in der Gruppe ist die Methode Dot-Voting – Punktabfrage.

Plane weitere Schritte

Brainwriting wird wie alle Kreativmethoden typischerweise in Kombination mit anderen Methoden eingesetzt. Die konkreten weiteren Schritte hängen deshalb stark von deinem Ziel ab. Je nach Vorgehen kann es beispielsweise sinnvoll sein, nur die zwei bis drei besten Ideen auszuwählen; alternativ können natürlich auch mehr Ideen weiterverfolgt werden, beispielsweise indem die anwesenden Personen jeweils Ideen aufgreifen und weiter verfeinern.

Z.B. werden im Rahmen eines Design-Thinking-Prozesses aus den Ideen häufig frühe Prototypen entwickelt, um ihre Umsetzbarkeit und Sinnhaftigkeit zu prüfen. Denn auch wenn Kreativitätstechniken wie Brainwriting viele gute Ideen enstehen lassen, müssen sie sich erst in der Realität beweisen.

Andere Brainwriting-Methoden

Für alle Varianten gilt:

• Es kann hilfreich sein, wenn ein:e Moderator:in die Gruppe durch die Methode führt, um sicherzustellen, dass alle Regeln eingehalten werden und alle Teilnehmenden verstanden haben, was von ihnen erwartet wird.

• Brainwriting ist keine dynamische und besonders schnelle, sondern eher eine bewusst „nachdenkliche“ Methode. Gib deswegen den Teilnehmenden unbedingt ausreichend Zeit.

6-3-5

Die Methode 635 funktioniert ähnlich. Hier nehmen üblicherweise sechs Personen teil, wobei jede Person mit einem Formblatt bestehend aus drei Spalten und sechs Zeilen beginnt. Die jeweils erste Zeile des Blatts wird durch die Teilnehmenden in einer vorgegebenen Zeit (üblicherweise zwischen 1 und 5 Minuten) mit drei Ideen befüllt und dann gleichzeitig im Uhrzeigersinn nach links weitergegeben.

In der zweiten Runde werden die Ideen der Vorgänger:innen gelesen und in der zweiten Zeile ergänzt. Insgesamt gibt es fünf Runden, an deren Ende im besten Fall alle sechs Blätter mit in Summe 108 Ideen ausgefüllt sind.

Kärtchen-Abfrage

Diese Variante ähnelt am ehesten dem klassischen Brainstorming, nur eben mit Aufschreiben der Ideen statt Zurufen. Auch bei dieser Brainstorming-Variante wird mit Moderationskärtchen gearbeitet, allerdings werden diese nicht herumgereicht. Stattdessen werden diese von den Teilnehmenden oder durch Sie als Moderator:in auf einer für alle sichtbaren Pinnwand aufgehängt, wo sie als Inspiration für alle Teilnehmenden fungieren.

Diese Variante ist die „ruhigste“ Methode, der bisher dargestellten Brainstorming-Varianten und kann auch in größeren Gruppen z.B. in einem Stuhlkreis durchgeführt werden. Jedoch hat diese Methode meistens auch den geringsten Spaßfaktor und die Ideen, die dabei enstehen, sind oft weniger verrückt oder originell.

Kollektives Notizbuch

Das kollektive Notizbuch kann als asynchrone Variante des Brainstorming beschrieben werden: Allen Teilnehmenden werden Notizbücher ausgehändigt mit der Aufforderung, dass darin täglich alle Einfälle und Ideen rund um die Fragestellung notiert werden. Nach einem festgelegten Zeitraum, etwa eine Woche, werden die Notizbücher eingesammelt und durch eine Person ge-ordnet und zusammengefasst. Diese Zusammenfassung kann dann durch alle Gruppenmitglie-der diskutiert werden.

Online-Brainwriting (siehe auch DT145 Brain-Netting)

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