DT336: Die Wahrheit über die 10.000-Stunden-Regel

Sommer-Spezial-Sendung

So wirst du zum Experten in einem Gebiet.

Wenn du wirklich zur Spitzenklasse deines Fachs gehören willst, dann solltest du mindestens 10.000 Stunden üben. So zumindest die These des Bestsellers „Überflieger“ von Malcolm Gladwell. Doch ist es wirklich so einfach? Wir schauen hinter die These und geben euch Antworten.

Über die 10.000-Stunden-Regel

Es gibt kaum jemanden, der noch nicht von der 10.000-Stunden-Regel gehört hat (die meisten kennen diese Hypothese aus Malcolm Gladwells Buch „Überflieger: Warum manche Menschen erfolgreich sind – und andere nicht“). Diese lautet, dass Menschen, die auf Weltklasse-Niveau spielen, wie Musiker, Künstler oder Sportler, bis zum Erreichen dieser Stufe an die 10.000 Stunden in Übungen bzw. Training hinter sich hatten. Wenn Sie als einer der Besten in Ihrem Fach gelten wollen, sollten Sie folglich insgesamt 10.000 Stunden darin an Übung haben.

Nun haben sich die Autoren der ursprünglichen Studie gemeldet und gesagt, dass diese 10.000-Stunden-Regel so nicht stimmen würde. Diese Behauptung hat weitreichende Folgen für alle, die versuchen, Fähigkeiten und Kenntnisse zu entwickeln.

Denn das ist, was die ursprüngliche Studie tatsächlich gefunden hat:

1993 veröffentlichten Anders Ericsson, Ralf Krampe und Clemens Tesch-Römer die Ergebnisse Ihrer Studie für die sie eine Gruppe Geigenstudenten in einer Musikakademie in Berlin untersuchten. Dabei stellten sie fest, dass die erfolgreichsten Schüler bis zu ihrem 20. Geburtstag durchschnittlich 10.000 Stunden Geige geübt hatten. Diese Regel ist deshalb so populär geworden, weil sie einem zutiefst menschlichen Wunsch sehr entgegenkommt, nämlich, dass es eine einfache Ursache-Wirkung-Beziehung gibt: Wenn Sie einfach zehntausend Stunden Praxis in irgendetwas investieren, werden Sie zum Meister in diesem Bereich. Aber ist dem wirklich so?

Problem 1: Die Zahl 10.000 ist willkürlich gewählt

Gladwell hatte in seinem Buch die Zahl 10.000 willkürlich gewählt. Auch der Begriff Meister war etwas zu hoch gegriffen, denn diese achtzehn oder zwanzig Studenten waren bei weitem keine Meister – sie waren einfach extrem gut in ihrem Fach, hatten aber trotzdem noch einen langen Weg vor sich. 10.000 Stunden zu üben ist also nur die halbe Miete. Viel entscheidender ist es zu wissen, wie Sie in Ihrem Bereich extrem gut werden oder wie Sie die Meisterschaft darin erlangen bzw. wie Sie der Beste werden.

Problem 2: Wiederholung alleine reicht nicht

Es ist das eine, etwas einfach nur 10.000 Stunden lang zu machen und etwas ganz anderes, sich ständig aus der Komfortzone zu bewegen und spezifische Fähigkeiten zu entwickeln und Feedback zu geben, um Schwächen zu identifizieren und an diesen gezielt zu arbeiten. Absichtlich und bewusst an etwas zu üben bedeutet, dass Sie sehr selbstkritisch und reflektiert an dem arbeiten, was Sie verbessern wollen. Es geht darum Wege zu finden, diese Verbesserung tatsächlich zu erreichen. Das erfordert, dass Sie neue Erkenntnisse auch tatsächlich auszuführen, selbst wenn es herausfordernd und unbequem ist.

Wenn Sie einfach nur Zeit mit üben verbringen, werden Sie sich nicht so schnell verbessern, wie wenn Sie sich darauf konzentrieren, Ihr Ziel zu erreichen. Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen einfachem und bewusstem Üben. Wenn Ihre persönliche Definition von Verbesserung darin besteht, dass Sie das, was Sie vorher getan haben, einfach immer wieder wiederholen, ohne sich großartig zu bemühen, werden Sie dieselben Pfade wie immer gehen. Und Sie werden weniger flexibel bzw. in der Lage zu sein, Ideen zu entwickeln, wie Sie neue Herausforderungen bewältigen. Das macht es dann wiederum schwieriger auf lange Sicht hin kreativere Wege zu wählen.

Problem 3: 10.000 Stunden waren nur der Durchschnitt

Drittens war die Zahl von zehntausend Stunden im Alter von zwanzig Jahren für die besten Geiger nur eine durchschnittliche Zeit. Die Hälfte der zwanzig Geiger dieser Gruppe hatte in diesem Alter noch keine zehntausend Stunden Übung gesammelt. Vielmehr gehen die Forscher davon aus, dass 10.000 Stunden Training Sie durchschnittlich machen, wenn die anderen Kontrahenten zeitgleich auf ein bestimmtes Ziel hinarbeiten. Andere Studien wiederum behaupten, dass es mindestens 10 Jahre dauert, bis ein Künstler wahrlich gut wird.

Üben Sie bewusst, um besser zu werden

In so ziemlich jedem Bereich können Menschen enorme Fähigkeit entwickeln, ihre Leistung zu verbessern. Die Voraussetzung allerdings ist, dass sie auch richtig trainieren. Wenn Sie etwas ein paar hundert Stunden lang wiederholen und einüben, werden Sie sicher eine große Verbesserung gegenüber der Ausgangslage erkennen können… aber Sie haben trotzdem nur an der Oberfläche gekratzt. Sie können nun weitermachen und besser und besser werden.

Zu viele Menschen sind der Überzeugung, dass sie nicht kreativ sind. In Wirklichkeit müssen Sie aber nicht „künstlerisch“ begabt sein, um kreativ zu sein und tolle Ideen zu haben. Es braucht lediglich Übung und das Zugeständnis, die eigene Komfortzone zu verlassen, um auch darin besser zu werden. Solange Sie dem Endziel einen Mehrwert verleihen, ist dies eine gute Definition von Verbesserung.

Machen Sie sich also keine Sorgen, wenn Sie keine zusätzlichen 10.000 Stunden Zeit zum Üben haben. Jede Zeit, die Sie mit bewusster und gezielter Übung verbringen, wird Sie einfach noch besser machen als Sie es bisher sind. Wetten?

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