DT328: Der Attributionsfehler

Warum wir der Persönlichkeit zu viel Bedeutung schenken

Wenn wir Produkte und Dienstleistungen für Menschen designen, dann sollten wir uns intensiv mit dem Verhalten unserer Zielgruppe beschäftigen. Aber auch unsere eigene Einstellung kann uns in die Irre führen. Heute sprechen wir über genau so einen Denkfehler, der sich Attributionsfehler nennt.

Der fundamentale Attributionsfehler

Der fundamentale Attributionsfehler besagt, dass wir, wenn wir versuchen, das für uns unpassende Verhalten anderer Menschen zu erklären, dazu neigen, ihre Persönlichkeit zu viel Bedeutung zu schenken, während wir die Situation, in der sich diese Person befindet, nicht mitbeachten.

Wenn beispielsweise ein Kollege bei der Arbeit einen Fehler macht, führen wir das eher auf seine Persönlichkeit, seinen Charakter oder sein Können zurück. Wenn wir jedoch denselben Fehler machen, ist es wahrscheinlicher, dass wir ihn der Situation zuschreiben (wir waren zu müde oder es war die Schuld eines anderen).

Das wichtigste Kapital, das Unternehmen haben, sind ihre Mitarbeiter. Der fundamentale Attributionsfehler kann dazu führen, dass wir von den Menschen, die uns am nächsten stehen, nicht ernst genommen fühlen. Laut verschiedenen Untersuchungen ist aber Anerkennung das Wichtigste, das die Menschen wollen.

Wir alle kennen Situationen, in denen wir alles getan haben, um ein Ziel zu erreichen. Dann passiert etwas, das außerhalb unserer Kontrolle liegt – und plötzlich ist es unsere Schuld. Beispielsweise hatten wir einen ganz wichtigen Projektstart und wir wollten unbedingt rechtzeitig dort sein. Allerdings kamen wir in einen Stau, der aufgrund eines Unfalls entstand. Auch wenn wir nicht schuld an der Verspätung waren, rückte das die Persönlichkeit in ein schlechtes Licht. Das macht uns wütend und wir fragen uns, warum wir uns das überhaupt antun. Umgekehrt kann es für dich als Berater oder Projektmanager frustrierend sein, wenn jemand etwas nicht macht, was er versprochen hat.

Einige Beispiele

Die Laune im Team persönlich nehmen

Wir arbeiten viel in Unternehmen, die gerade in großen Veränderungen stecken. Das macht etwas mit den Menschen. Sie wissen nicht, was passiert und sind unsicher. Das führt dazu, dass sie dann oft launisch reagieren. Aber anstatt das persönlich zu nehmen, starten wir nun immer mit Spielen oder Auflockerungen, bei denen die Leute Zeit haben, anzukommen und ihre Ängste auszusprechen. Das gibt ihnen Raum zum Entspannen und Ankommen.

Wenn jemand eine Mail nicht beantwortet

Wenn jemand nicht zurückschreibt, neigen wir dazu, das persönlich zu nehmen und es als unhöflich zu erachten. Schließlich haben wir ja auch Zeit investiert. Aber meistens gibt es einen guten Grund dafür.

Wenn jemand seinen Teil der Arbeit nicht macht

Wenn jemanden im Team ist, der einfach nicht seinen Teil beiträgt, obwohl er/sie es immer wieder verspricht, kann das daran liegen, dass gerade im persönlichen Leben etwas schief läuft oder er/sie irgendwo enormen Druck spürt. Aber es ist leichter zu glauben, dass er/sie faul oder einfach nur schlecht ist.

Andere Auto-Fahrer beurteilen

Wenn dich jemand beim Autofahren schneidet, ist oft der erste Gedanke „So ein Idiot!“. Dabei wissen wir nicht, was der Grund für dieses Fahrverhalten ist. Wir selber hatten mal eine Situation, in der Sekunden über Leben und Tod entschieden haben, da kannst du keine Rücksicht auf den Fahrstil nehmen.

Im Zweifel für die Angeklagten

Gib dem Menschen eine Chance: Im Zweifel für den Angeklagten. Wann immer wir das Verhalten eines anderen beurteilen, sehen wir nur einen Teil der Rechnung. Wir können nicht sehen, was in dessen Kopf oder Umgebung wirklich vorgeht. Wir kennen nicht die vollständige Situation. Es gibt immer eine andere Seite.

Wenn wir uns bewusst sind, dass wir dem fundamentalen Attributionsfehler unterliegen, anstatt sofort zu urteilen, können wir positivere Erklärungen für dessen Verhalten finden. Das macht es einfacher in der Kommunikation und der Zusammenarbeit.

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