Post-Mortem-Analysen: Wie man aus Entscheidungen systematisch lernt

Ein Plädoyer für mutige Rückblicke in einer Welt, die ständig nach vorn rennt.

„Was hätten wir anders machen sollen?“ Diese Frage taucht in Organisationen meist zu spät auf – und oft in einer Tonlage zwischen Vorwurf und Ratlosigkeit. Dabei wäre sie ein machtvoller Hebel für Zukunftsfähigkeit, wenn man sie nicht nur stellt, wenn etwas schiefgeht, sondern immer dann, wenn man etwas entschieden hat.

In der Psychologie nennen wir das eine Post-Mortem-Analyse: eine strukturierte Rückschau auf getroffene Entscheidungen. Nicht um Schuldige zu suchen, sondern um Erkenntnisse zu gewinnen. Für Teams bedeutet das: raus aus dem Bauchgefühl, rein in eine geteilte Reflexion, die Muster erkennt, Handlungsspielräume aufzeigt – und Stolz auf den eigenen Lernprozess entstehen lässt.

Warum Menschen Rückblicke scheuen – und warum das gefährlich ist

Führungskräfte treffen täglich Entscheidungen unter Unsicherheit. Das gehört zum Spiel. Doch wer sich nur auf den nächsten Schritt fokussiert, verliert leicht die Fähigkeit zur Selbstkorrektur. Der Blick zurück wird zur Bedrohung – statt zur Ressource.

Das liegt nicht nur am Zeitdruck. Es liegt am menschlichen Wunsch, kognitive Dissonanzen zu vermeiden: Wir erzählen uns selbst Geschichten, warum etwas eben so kommen musste. Im schlimmsten Fall schaffen wir eine Kultur, in der Scheitern tabuisiert und Erfolg glorifiziert wird – statt zu verstehen, was wirksam war und was nicht.

Wie eine gute Post-Mortem-Analyse aussieht

Die besten Post-Mortem-Analysen haben fünf Eigenschaften:

  1. Psychologische Sicherheit: Ohne Angst vor Gesichtsverlust sprechen Teammitglieder ehrlich über ihre Perspektiven.
  2. Ein klarer Fokus: Was wollten wir erreichen? Was ist passiert? Welche Annahmen lagen zugrunde?
  3. Unterscheidung von Prozess und Ergebnis: War die Entscheidung zum damaligen Zeitpunkt auf Basis der verfügbaren Informationen sinnvoll – unabhängig vom Ergebnis?
  4. Systematische Perspektivenvielfalt: Was haben wir übersehen? Wer war nicht am Tisch?
  5. Dokumentation und Transfer: Die Erkenntnisse werden festgehalten und in zukünftige Entscheidungen eingespeist – sei es durch Checklisten, Prinzipien oder Designänderungen.

Was das mit Ihnen als Führungskraft zu tun hat

Post-Mortem-Analysen sind keine Retrospektiven im agilen Sinne. Sie sind kein Meeting mit Klebezetteln, sondern ein Dialog über Verantwortung, Lernen und Zukunft. Wenn Sie als Führungskraft dafür Räume schaffen, senden Sie eine starke Botschaft: Wir entscheiden mutig. Und wir lernen gemeinsam.

Als Moderatoren begleiten wir genau diese Prozesse. Nicht, weil Sie es nicht alleine könnten – sondern weil wir wissen, wie herausfordernd es ist, sich selbst im Spiegel zu begegnen. Besonders dann, wenn man die Entscheidung selbst getroffen hat. Wir bringen Struktur, Neutralität und das psychologische Handwerkszeug mit, damit Reflexion nicht in Rechtfertigung kippt – sondern in Erkenntnis mündet.

Zum Schluss: Was, wenn alles richtig war?

Noch ein letzter Gedanke, vielleicht der wichtigste: Eine Post-Mortem-Analyse ist auch dann wertvoll, wenn Sie zu dem Schluss kommen, dass Sie alles richtig gemacht haben. Denn auch dann entsteht Lernen – und Klarheit. Für den nächsten Fall. Für das nächste Team. Für die nächste Entscheidung unter Unsicherheit. Denn gute Führung erkennt man nicht an perfekten Entscheidungen – sondern an der Fähigkeit, aus jeder Entscheidung klüger hervorzugehen.

Mehr dazu finden Sie auch in unserem Buch „Die 7 Ausreden der Unternehmen“ und in Ingrids Blogbeitrag „Warum wir es hätten wissen müssen“.