Fast jede Innovation, die wirklich einen Unterschied machte, stieß zunächst auf unterschiedlich starken Widerstand, wenn nicht sogar auf völlige Ablehnung. Der Maler Henri Matisse, der sich den Ruf eines Rebellen erwarb, drückte es so aus: „Kreativität erfordert Mut“.
Es braucht Nonkonformisten, die bereit sind Ideen zu entwickeln und auch zu fördern, die neu, seltsam und zu Beginn vor allem belächelt werden. Für eine Studie wurde die Frage nach den wichtigsten Attributen von unterschiedlichen Experten beantwortet. Die Künstler antworteten, dass ein kreativer Mensch jener ist, der Risiken eingeht und bereit ist, die Konsequenzen dieser Risiken zu tragen. Unterdessen meinten die Geschäftsleute, dass ein kreativer Mensch in der Geschäftswelt jemand sei, der die Fallstricke konventioneller Denkweisen meidet. Philosophen bestanden darauf, dass kreative Köpfe niemals automatisch das „Akzeptierte“ akzeptierten, und Physiker betonten, wie wichtig es sei, die Grundannahmen, auf denen wir operieren, in Frage zu stellen.
Der gemeinsame Nenner aller Antworten ist die Vorstellung, dass kreative Menschen populäre, konventionelle Denkweisen ablehnen und stattdessen neue und frische Ideen unterstützen. Der kreative Akt selbst besteht darin, mit Traditionen und Routinen zu brechen, um neue Muster zu schaffen, neue Fragen zu stellen und nach neuen Antworten zu suchen.
Mit der Entscheidung, die Dinge anders zu machen, müssen die Erfinder aber auch die Möglichkeit des Scheiterns in Kauf nehmen – denn erst dieses Risiko eröffnet die Möglichkeit echter Innovation.
Sich der Masse zu widersetzen erfordert Mut. Natürlich ist es einfacher und bequemer, der öffentlichen Meinung zu folgen. Aber Risiko und Scheitern sind wesentliche Bestandteile einer jeden kreativen Arbeit. Sehen wir uns dazu ein Beispiel aus der Medizin an, das diesen Mut untermauert. Mitte des 19. Jahrhunderts stellte der ungarische Geburtshelfer Ignaz Semmelweis die Hypothese auf, dass Krankheiten in Krankenhäusern durch kleine Partikel auf den Händen der Ärzte übertragen werden könnten. Semmelweis kam zu der Überzeugung, dass viele Leben gerettet werden könnten, wenn medizinisches Fachpersonal das Händewaschprotokoll befolgte, und führte daher in der Geburtshilfeklinik des Wiener Krankenhauses, in dem er arbeitete, antiseptische Verfahren ein. Semmelweis fand heraus, dass Händewaschen mit einer Chlorkalklösung die Sterblichkeitsrate deutlich senkte.
Damals war es eine ziemlich umstrittene Idee – und wie viele radikale Ideen wurde der Vorschlag von seinen Kollegen nicht akzeptiert. Semmelweis wurde verspottet und von seiner Stelle im Krankenhaus entlassen. All das machte ihm so zu schaffen, dass er sogar in eine Irrenanstalt eingewiesen wurde. Erst Jahre später, als Louis Pasteur die Keimtheorie der Krankheit entwickelte, erlangte Semmelweis‘ bahnbrechende Arbeit zu antiseptischen Verfahren endlich breite Akzeptanz.
Viele Nobelpreisträger haben ähnliche Geschichten. Die Welt braucht dringend Non-Konformisten, die ihre Gebiete vorantreiben, Paradigmen ändern und uns zu neuen Wegen des Verständnisses führen.



