Es war ein unscheinbarer Moment. Während eines Design-Thinking-Workshops beobachtete ich, wie eine Teilnehmerin ihre Mappe öffnete. Nicht etwa, um Notizen zu machen oder Ideen zu skizzieren. Sondern um ein zerknittertes Blatt Papier hervorzuholen – eine Liste mit Fragen.
In unserer Kultur der sofortigen Lösungen wirkt das fast revolutionär: Eine Liste von Fragen, statt einer Liste von Antworten. Keine Problemstellungen, sondern pure Neugier.
Ihre Fragen waren nicht etwa technisch oder strategisch. Sie waren menschlich:
- Was fühlt sich für euch schwierig an?
- Wo stoßt du an deine Grenzen?
- Welche Momente machen dich wütend?
- Was wünschst du dir heimlich?
Design Thinking wird oft als Prozess missverstanden. Ein Werkzeugkasten voller Methoden. Aber für mich ist es viel mehr eine Haltung. Es ist eine Bereitschaft, das Offensichtliche zu hinterfragen. Wir sind trainiert, schnell zu urteilen. Zu kategorisieren. Zu schubladisieren.
Aber echte Innovation entsteht in den Zwischenräumen. In den Momenten des Nichtwissens. Schauen Sie genau hin:
- Jedes erfolgreiche Produkt begann mit einer naiven Frage
- Jede bahnbrechende Lösung entstand aus dem Mut zum Nicht-Wissen
- Jede wirkliche Innovation hatte ihren Ursprung in der Verweigerung der Selbstverständlichkeit
Die Teilnehmerin mit der Fragenliste erinnerte mich an Ethnologen. Menschen, die das Fremde nicht kategorisieren, sondern verstehen wollen. Die nicht erklären, sondern zuhören.
Es geht nicht darum, die richtigen Antworten zu finden. Es geht darum, die richtigen Fragen zu stellen. Fragen, die uns aus unseren gewohnten Denkmustern herausreißen.
Design Thinking ist mehr als eine Methode. Es ist eine Einstellung. Eine Bereitschaft, die Welt mit den Augen eines Kindes zu betrachten. Voller Staunen. Voller Neugier.
Am Ende des Workshops präsentierte die Frau mit den Fragen die überraschendste Lösung. Nicht weil sie schlauer als der Rest war. Sondern weil sie wirklich verstanden hatte.
Das nächste Mal, wenn Sie in einem Workshop sitzen und alle um Sie herum Lösungen produzieren, erinnern Sie sich an diese Geschichte. Denn der wahre Schlüssel zur Innovation ist nicht das Wissen. Sondern es ist die Bereitschaft, nichts zu wissen. Und offen zu sein für das, was sich zeigen will.


